Ist Nord Stream 2 ein geeignetes Druckmittel?

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
kürzlich tauchte die wenig beachtete Meldung in der Presse auf, dass Altbundeskanzler Gerhard Schröder neben seinem Engagement als Aufsichtsratsvorsitzender des russischen Energiekonzerns Rosneft, als Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG auch in den Aufsichtsrat des weltweit größten russischen Gasförderunternehmens Gazprom berufen werden soll. Gazprom hat 61 hundertprozentige Tochtergesellschaften und hält bei 45 weiteren Unternehmen die Aktienmehrheit. Beteiligt ist Gazprom an 69 Unternehmen. In Deutschland gehören zu den Tochterunternehmen z. B. der größte Erdgasspeicher (Speicher Rehden in Niedersachsen mit einer Arbeitsgas-Kapazität von 4 Mrd. m³), Betreiber und Eigentümer von Gasleitungen (2.400 km Länge in Deutschland) und das führende Gashandelsunternehmen Wingas sowie die Fernleitungen Nord Stream 1 und 2. Hier konzentriert sich eine erhebliche Marktmacht auf dem deutschen Energiemarkt. Als Gerhard Schröder nur einen Monat nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 den Aufsichtsrat bei Nord Stream 1 übernahm, jubelten viele Genossen mit der Begründung, nun seien ja deutsche Interessen in dem russischen Unternehmen gut verankert. Allerdings bewiesen die Jubelnden lediglich, dass sie von keinerlei Kenntnis des Handelsrechts hatten, denn ein Aufsichtsratsmitglied ist ausschließlich den Interessen der Aktionäre verpflichtet.
Unternehmen in mehrheitlich russischem Besitz haben einen entscheidenden Marktvorteil: Sie können Erdgas aus Russland zum russischen Inlandspreis (plus einer Gebühr für den Transport via Erdgasleitung) beziehen. Sie können damit gegenüber den Konkurrenten ihr Gas ca. 15 – 20 % billiger beziehen. Es bietet sich damit für Gazprom-Töchter an, in Gaskraftwerken den Regelstrom für Strom aus sog. „erneuerbaren Energien“ zu liefern – sicherlich ein gutes Geschäft.
Da klingt die vollmundig Erklärung gut, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen verkleinern zu wollen. Wenn zur gleichen Zeit aus derselben Partei Gaslieferungen aus Russland als Druckmittel im Konflikt um die Sicherheit der Ukraine benannt werden, wird klar, dass vor allem Deutschland einen sehr hohen Preis für die beabsichtigten Sanktionen gegen Russland bezahlen muss. Alternativen zur Gasversorgung aus Russland haben wir nicht, denn gerade diejenigen, die hier energiepolitisch und außenpolitisch tätig sind, verhindern federführend den Weiterbetrieb von Stromerzeugung aus Kohle und Kernkraft.
Die Ankündigung, Deutschland sei bereit, einen hohen Preis für die Freiheit der Ukraine zu zahlen, klingt sehr bedrohlich, wenn man sich die Zusammenhänge betrachtet.
Wir wünschen Ihnen ein angenehmes Wochenende und Immunität, bleiben Sie gesund!